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Elvira Muschler
Erlebtes und Erzähltes

Vater kommt nach Hause.

...dachten schon, der Oma wäre was Schlimmes passiert! Ich kam als erste aus der Küche und verstand, was Oma rief: "Willi - Willi - Willi!"... Ich glaube, sie hätte nicht aufgehört, wenn ich nicht dazugekommen wäre.

- Papa zu Hause - ! Er stand vor mir mit seinem Seesack auf dem Rücken und schaute mich sekundenlang an, ohne ein Wort zu sagen. Dann ging ein Ruck durch ihn - und mit belegter Stimme brachte er heraus: "Bist du aber groß geworden!".
Langsam löste sich der Freudenschock und wir jubelten alle! Der Alltag mit seinen Sorgen und Schwierigkeiten hat uns dann aber wieder ernüchtert. Mußten wir nun doch noch einen mehr mit durchfüttern. Lebensmittelmarken gab es nur mit Zuzugsgenehmigung. Und meinem Vater wurde erklärt, daß er kein Zuzugsrecht habe, weil er nicht von hier sei!

Meine energische Mutter schleppte meinen Vater solange von Amt zu Amt, bis er endlich bei uns bleiben durfte - als "Flüchtling ohne Anspruch". Das war uns wurscht, Hauptsache, er durfte bleiben! Anfangs war das Zusammenleben schwierig, obwohl wir uns alle sehr lieb hatten. Es waren doch einige Jahre vergangen, die Familie hatte sich auseinander gelebt. Meine Eltern mußten wieder bei Null anfangen, sich "zusammenraufen". Das war nicht immer leicht!

Wenn ich bedenke, wie es bei anderen Familien zuging!? Mein Vater erzählte, daß mit ihm ein Kamerad nach Hause durfte, der im Zug sagte: "Wenn ich jetzt nach Hause komme, sitzt ein fremdes Kind mit am Tisch". Nennt es mich nun Vater oder Onkel? Nenne ich es nun 'mein Sohn', oder frage ich: "Wer bist du?".

Viele Ehen gingen kaputt, weil die Männer, die ihre Gefühle im Krieg ausgelebt hatten, das den Frauen nicht zugestehen wollten.
Meine Mutter und eine Nachbarin erzählten sich von einem Scheidungsrichter; der eine Ehe nicht geschieden hat mit der Begründung, dass Krieg eine Ausnahmesituation sei und auch die Frauen Menschen mit Bedürfnissen wären. In der damaligen Zeit eine Sensation! - Nur, hat der Richter seinen Spruch bis zur letzten Konsequenz durchdacht? Hat sich das Familienleben dieser beiden Menschen normalisiert? Oder mussten sie sich bis zum bitteren Ende quälen?

Dr. Hanns Voith   -  Ernst Linse  -   Klaus-Peter Höppner  -   Maria Beuttel  -   Alois Schirmer  -  Hanne Uhl
Notrezepte und Überlebensstrategien


26. 04. 2002; Lilli Meinecke Lilli.Meinecke@web.de
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