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Notrezepte und Überlebensstrategien

Um auch in den schwierigen Nachkriegszeiten aus den geringen Mitteln, die einem zur Verfügung standen, möglichst schmackhafte Mahlzeiten zubereiten zu können, brauchte man viel Phantasie und Geschick. Die hier aufgeführten Notrezepte und Überlebensstrategien sind nicht im Buch enthalten. Sie finden dort aber eine ganze Reihe weiterer bewährter Rezepte, Hilfen und Tricks, mit denen die  schwierigen Nachkriegsprobleme zu lösen versucht wurden.

Frau Muschler schreibt:

Damals galt bei uns der Ausspruch: "Im Kochbuch steht, man nehme so man hat."  Damit war alles erklärt, wenn einer maulte, weil es heute wieder gar nicht schmecken wollte.
Die Zutaten waren meistens nicht mehr zu haben (Pfeffer) oder gerade ausverkauft (Salz).
Ich erinnere mich, dass wir Essig selbst gemacht haben. Natürlich war ein Vergleich mit dem Essig vom Händler nicht möglich. Und das war es auch, was den Geschmack der Speisen manchmal doch recht merkwürdig verändert hat.
Wenn man Essig herstellen wollte, brauchte man eine Essig-Mutter - das ist der gallertartige Bodensatz in der Essigflasche. Darauf kamen Apfelschalen und -butzen. Mit Waser aufgefüllt mußte man die Flasche offen stehen lassen. Na ja, mit viel Phantasie konnte man glauben, dass es Essig war.

Knochen

Auf den Lebensmittelmarken, die wir bis 1949 hatten, gab es auch Abschnitte für Fleisch. Ein Abschnitt bedeutete 250 g Fleisch, das konnte es nur am Sonntag geben.
Wollte man 250 g Fleisch einkaufen, waren die Metzger berechtigt, 180 - 200 g Fleisch und den Rest in Knochen zuzugeben. Wenn ein Markknochen dabei war, war dies ein Grund zur Freude. An den Knochen fand man nicht die Spur von Fleisch, aber sie waren kostbar. Was haben die damaligen Hausfrauen für gute Soßen zu den Hefe-Knöpfle gezaubert! Auf der Seite der Herdplatte stand am Sonntag immer ein Topf mit Suppengrün und Knochen und köchelte vor sich hin. Diese Brühe fand Verwendung im Kartoffelsalat, im Gaisburger Marsch und selbstverständlich in der Sonntagsuppe, auch Mehlschwitzen wurden damit abgelöscht usw.
Die Metzger haben mich immer wieder erstaunt: Sie konnten haargenau 50 g oder 100g Wurst abschneiden, ja manchmal war es auch ein bißchen weniger - vielleicht 5 oder 10 g - aber nie, gar nie mehr! Diese Fähigkeit haben sie über Nacht - nicht so nach und nach, nein buchstäblich über Nacht verlernt. Als die Lebensmittelmarken 1949 abgeschafft wurden, hieß es ab sofort bei allen Metzgern: "Därf's a bißle meah sei?"

Soße von Knochen

1 Teel. Schweineschmalz oder Margarine im Topf zergehen lassen. Die Knochen hineingeben und dazu noch geviertelte Zwiebeln, 1 Möhre und, wenn man hatte, noch ein Stückchen Lauch.
Alles gut anrösten; die Zwiebeln sollen braun sein, damit die Soße auch Farbe nimmt.
Dann 2 El. Mehl darüber streuen und weiter gut rösten. Das Mehl soll hellbraun sein. Mit 1 l Knochenbrühe, wie an anderer Stelle beschrieben, ablöschen. Es geht auch mit Wasser. Nun gut durchkochen, mindestens eine halbe Stunde, damit der Mehlgeschmack verschwindet. Abschmecken mit Salz und so man noch hatte, Pfeffer. Ein Maggiwürfel dazu kann auch nicht schaden. Je länger die Knochen gekocht werden, desto mehr Geschmack geben sie an die Soße ab.
Sollte die Soße nicht die gewünschte Bräune haben, kann man diese mit Kaffee-Ersatz noch nachträglich herbeiführen.

Saure Kartoffelrädla

Pro Person kocht man 3-4 Kartoffeln in der Schale weich. 1 Zwiebel feingeschnitten in 1 Teel. Margarine weichdünsten, 3-4 El. Mehl dazu, gut rühren. Mit 1 - 1,5 l Wasser ablöschen, glattrühren. Das Ganze wird mindestens eine halbe Stunde gekocht.
Mit Salz und Pfeffer abschmecken, Essig nach Geschmack dazu. Wenn man noch hatte, Lorbeerblatt mitkochen.
Die Mehlschwitze muß so lange kochen, damit der Mehlgeschmack verschwindet.
Die fertigen Kartoffeln werden geschält und in ca. 1/2 cm dicke Scheiben geschnitten, zur "Einbrenne" gegeben und umgerührt. So, und nun kämen Saitenwürstchen dazu. Aber wenn schon Saitenwürste, dann halt ein Paar - 100 g - in feine Scheiben geschnitten für die ganze Familie.
Meistens gab es keine Würstle. Meine kleine Schwester maulte einmal: "Wo ist die Wurst?" Meine Mutter sagte darauf: "Die haben sie heute am Haus vorbei getragen."
Humor war bei uns kein Fremdwort. Vielleicht war's Galgenhumor?

Schlagsahne

Welch ein Reizwort! Wir gierten danach, aber es war nicht daran zu denken, Rahm von irgendwoher zu bekommen. Also war die Phantasie gefragt. Das Rezept für Sahne-Ersatz ging von Mund zu Mund.
Man mußte Gries in Magermilch kochen, eine Süßstofftablette dazu. Der Brei sollte eine Konsistenz haben wie etwa Kartoffelpüree. Dann ist Ausdauer gefragt! Der Brei wird in eine Schüssel gegeben und dann schlagen, schlagen, schlagen.....!
Das wurde eine zähe Masse. Mit sehr viel Phantasie konnte man glauben, es handele sich um eine schaumige Masse.
Also - uns hat es geschmeckt!

Griesschnitten

1 l halb Milch, halb Wasser zum Kochen bringen, Süßstoff dazu, dann soviel Gries einrieseln lassen, bis ein dicker Brei entsteht. Eine Spätzleplatte od. ähnl. mit kaltem Wasser abschwenken, den Griesbrei daraufgeben und erkalten lassen. Wenn die Masse fest geworden ist, werden Streifen von ca. 1-2 cm Dicke abgeschnitten, in eine Flüssigkeit aus Eipulver und Milch getaucht und in Buchelesöl ausgebacken. Dazu gab es meistens Rhabarber-Kompott.

Verpackungsmaterial

Gab es schlichtweg nicht. Wir mußten immer mit Schüsseln, Tellern oder Stoffsäckchen einkaufen gehen.

Da gibt es eine nette Geschichte:
Die Mutter sagt zu ihrem 8-jährigen Sohn: "Nimm den Teller, geh zum Kaufmann und hole mir Salz und Pfeffer." Der Junge geht und sagt dem Kaufmann, daß er ein halbes Pfund Salz und 20 Gramm Pfeffer braucht, und hält dabei dem Kaufmann den Teller hin. Der wiegt 250 g Salz und schüttet es auf den Teller. Dann wiegt er den Pfeffer ab und fragt den Jungen: "Wohin damit?" Prompt dreht der den Teller um: "Dahin!"
Der Junge kommt nach Hause und zeigt der Mutter den Pfeffer. "Wo ist das Salz?" fragt die Mutter. Der Junge dreht den Teller um und sagt:"Da!"

Lust auf weitere Rezepte und Überlebensstrategien? Lesen Sie das Buch .....und trotzdem weiter. Es  ist zum Preis von € 10,-- im Heidenheimer Buchhandel erhältlich oder über die eMail-Adresse schieszl@ba-heidenheim.de  bzw. die Telefonnummer 07321/43501 (Frau Muschler) zu beziehen. Der Erlös vom Verkauf des Buches kommt notleidenden Kindern in Kriegsgebieten zugute.

Dr. Hanns Voith   -    Ernst Linse   -  Klaus-Peter Höppner  -  Maria Beuttel  -   Alois Schirmer   -   Hanne Uhl  -   Elvira Muschler


26. 04. 2002; Lilli Meinecke Lilli.Meinecke@web.de
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