Alfred Mahlau ( 2002 )

Erster Besuch der "Heimat"

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Ort Mahlau

Erster Besuch in der Heimat

Zufallsprodukte für die Chronik

Das Endprodukt
( vorläufig )
 
 






























































































































  
 
Juni 1992 , die Grenzen nach Osten sind durchlässiger geworden , ich konnte meinen ersten Besuch nach Westpreußen wagen .

Besondere Vorbereitungen für diese Reise konnten wir eigentlich nicht treffen . Geldumtausch in Deutschland war nicht möglich , ein gültiger Reisepass genügte zur Einreise . Die Unterkunft wollten wir vor Ort buchen .

Viel wichtiger war , sich über die damals in Polen noch wenig vorhandenen Tankstellen mit bleifreiem Benzin kundig zu machen .

Das Auto voll gepackt u.a. mit Kleidern und " Naturalien " für die Familie meines polnischen Cousins und für diverse Besuche machten wir uns auf den Weg . 

Fahrtroute nach Elbing / Wpr
Von Steinheim aus geht es über die Autobahn Rtg. Nürnberg , durch die " neuen Bundesländer " an Leipzig und Berlin vorbei bis kurz vor die polnische Grenze . Hier - in dem kleinen Ort Penkun - trafen wir uns verabredungsgemäß mit meinem norddeutschen Cousin , der vor einem Jahr  schon einen Besuch unserer gemeinsamen Heimat abgestattet hatte und somit als Reiseführer fungieren konnte . 

Mit gemischten Gefühlen aber problemlos überquerten wir am nächsten Tag die deutsch / polnische Grenze bei Stettin . Als erstes mussten wir  polnisches Geld ( Slotty ) besorgen . Kein Problem , wenn man dies an der offiziellen Bank direkt nach der Grenze tut . Wehe dem , der sich auf einen der zahlreichen privaten Händler einlässt . Wichtig ist auch , dass man das Auto  nie alleine lässt .

Ortseingang von ElbingAuf überraschend gut ausgebauten Straßen , teilweise durch wunderschöne Baumalleen , legten wir den Rest der Strecke ohne Probleme zurück . Nach über 1 200 km erreichten wir unser erstes Ziel , meine Geburtstadt Elbing.

Die Quartiersuche war nicht sehr schwierig , weil der Tourismus in Polen noch nicht  " in den Gängen "  war . Allerdings sollte man keine deutschen Maßstäbe an die Qualität der Hotels legen . Wir bevorzugten ein Hotel außerhalb der Stadt . Hier hatten wir - gegen ein " Bakschisch " in harter deutscher Währung - wenigstens einen durchweg bewachten Parkplatz . 

Pro Nacht kostete das Doppelzimmer 550 000 Slotty , das sind umgerechnet 56 DM ( ca 28 Euro ) , je nach Umtauschkurs . Das Frühstück  wurde für jede Scheibe Brot , jede Tasse Kaffee - bei der das Kaffeepulver direkt in die Tasse gegeben wurde und dann das heiße Wasser - usw. separat abgerechnet . 

Gut 50 Jahre nach meiner Geburt genoss ich einen ersten Blick auf den Drausensee  , unweit von dem sich das großelterliche landwirtschaftliche Anwesen befand .

Ein erhebendes Gefühl für mich , aber auch für meine aus dem Schwabenland stammende Ehefrau .

Unser erster Besuch galt natürlich unserem Cousin und seiner Familie . Das war gleichzeitig die erste Station der umfangreichen Erkundung von Wohnorten meiner Verwandten . Dieser Cousin sollte von nun an unser Wegbegleiter und Dolmetscher sein .

Mit Kartenmaterial und einem Buch - in dem die ehemals deutschen Ortsnamen den polnischen gegenübergestellt waren - ausgerüstet , konnte unser mehrtägiger Streifzug durch die Heimat nun stattfinden . Nicht nur meine Geburtsstätte : das Krankenhaus in Elbing

Obwohl 80 % der im Jahr 1237 vom Deutschen Orden gegründeten Hansestadt Elbing im Krieg zerstört wurde , blieb das Krankenhaus - meine Geburtsstätte - fast unversehrt .

Hierhin also hat man im Januar 1942 meine Mutter mit einem Pferdeschlitten bei eisiger Kälte und durch tief verschneiter Landschaft aus unserem Wohnort Markushof  ( ca 10 km ) gebracht . Und von hier aus wollte ich jetzt meinen " Erkundungsfeldzug " starten .

In Elbing selbst fiel mir die ungeheure Bautätigkeit als erstes auf . Neben Ruinen aus dem Krieg entstanden hübsche mehrstöckige Wohnhäuser im Stil der 20 er Jahre . Uralte Straßenbahnen kreuzten mitten in der Großstadt die Wege von Pferdefuhrwerken . Neben vorwiegend einfachen Restaurants gab es sogar schon ein Mehrsternehotel , welches erst vor kurzem eröffnet wurde . Wir entdeckten sogar ein großes Kaufhaus , in dem man westliche Waren - von Lebensmitteln bis zu elektrischen Haushaltsgeräten - allerdings nur gegen " harte Währung " ( DM , Dollar ) kaufen konnte . Die Infrastruktur in Elbing konnte sich durchaus schon sehen lassen . Auf dem flachen Land aber lag die Versorgung - wie wir später noch feststellen sollten - noch im Argen . 

In der Folge besuchten wir alle möglichen Wohnorte der Verwandtschaft . Diese lagen fast durchweg in einem Umkreis von 10 bis 20 km in der Drausenniederung unmittelbar südlich von Elbing .

Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein . Diese in der Niederung als "Streusiedlungen " angelegten Dörfer wurden im Krieg wenig zerstört . Die dort jetzt ansässigen Polen konnten , wollten oder durften die Bauernhöfe meist nicht instand halten ( Geld - Materialmangel etc. ) . 
Großelterliche Küche noch aus dem 19 Jh.Dieses dokumentierte mir eindrucksvoll mein Besuch des großelterlichen Bauernhofes ( väterlicherseits ) . Hier stand in der Küche noch derselbe Herd , im Wohnzimmer der Kachelofen und das Klavier ; im Flur war noch dasselbe mit einer Farbwalze aufgetragene Muster an den Wänden zu erkennen , in den niedrigen Stallungen das sie tragende Gebälk mit den Kerben der verschiedenen Hochwasserkatastrophen ( die letzte am 25.03.1888 , wo das Wasser bis fast unter die Decke reichte ) usw. usw . 

Das Drumherum aber , das ließ zu wünschen übrig . Angefangen beim Dach über die Außenfassade bis zu den landwirtschaftlichen Geräten , hier nagte der Zahn der Zeit deutlich sichtbar . 

Trotzdem : diese Landschaft lässt das Herz eines Naturfreundes höher schlagen . Hier hat der Geld - und Materialmangel für die Erhaltung der ursprünglichen Natur gesorgt . Hier kommen vor allem Ornithologen ( Vogelkundler ) auf ihre Kosten . 

Natürlich besuchten wir auch die Kirchen und die Friedhöfe , sprachen  dank unseres Dolmetschers  mit allen möglichen Leuten über die Begebenheiten nach 1946 - dem Jahr unserer Vertreibung - oder Möglichkeiten zur Ergänzung der Chronik . Resultat gleich Null . Die Friedhöfe waren regelrecht zerstört , die Kirchen zum Teil zweckentfremdet .

Die Bevölkerung aber , die war sehr aufgeschlossen und gastfreundlich . Wir waren nirgends angemeldet und wurden trotzdem freundlich empfangen , obwohl wir die Gründe unseres Besuches mitteilten . Die " Mitbringsel " ( Kaffee , Seife o.ä. ) taten ein übriges .

Ein  Beispiel : 
Bei Fischer  Helmut  ( li )
Ein Tagesausflug führte uns an das nahegelegene Frische Haff . Hier besuchten wir den polnischen Fischer Helmut , den mein Cousin bei seinem ersten Besuch kurz kennen gelernt hatte .
Spontan lud er uns zu einem Fischessen ein . In einem großen Waschkessel wurde die Fischsuppe zubereitet . Hier kam alles - vom Kopf bis zum Schwanz - zerstückelt hinein . Gewürze , dem Aussehen nach auch Streusalz , und Gemüse " verfeinerten " die Suppe . Meiner Frau wurde es beim Zusehen fast schon übel . Hätte es nicht auch noch in der Pfanne gebratenen Fisch gegeben , sie hätte wohl nichts gegessen . Zum Abspülen des Geschirrs wurde einfach Wasser aus dem Hafenbecken genommen . Nach der " genossenen " Mahlzeit wurde so manche Flasche Wodka getrunken , was nicht nur der Verdauung gut tat . Die anschließende Bootsfahrt auf dem Frischen Haff haben auch alle überlebt . Helmut konnte etwas deutsch , seine russischen Gastarbeiter aber nicht . 

Mit Essen und Trinken , möglichst einem Fernglas und einem guten Fotoapparat ausgerüstet , Mit dem Schiff über die Rollbergesollte man von Elbing aus eine Bootsfahrt besonderer Art - nämlich über die Rollberge - unternehmen . 
Bei dieser Tagesfahrt erlebt man die ganze Herrlichkeit der westpreußischen Landschaft . Auf dem sehr schmalen Elbingfluß geht es zunächst in den ca 12 km langen Drausensee . Dieser - für jeden Wassersport gesperrte - flache See ist schon immer ein weltweit bekanntes Vogel - und Pflanzenschutzgebiet . Nur die Ausflugsboote dürfen hier fahren , der See wird auch nicht abgefischt .
Man gleitet förmlich durch den See , sieht und hört die vielen verschiedenen Vogelarten und erfreut sich der zahlreichen Wasserpflanzen . 
Kurz nach dem Drausensee fährt das Schiff in einem kleinen See auf eine Lore , wird darauf festgezurrt , um dann auf dieser Lore die erste von fünf geneigten Ebenen hochgezogen zu werden . Während der Bergfahrt kann man abspringen , fotografieren und rechtzeitig wieder auf das Schiff klettern . Vom Schiff aus bieten sich dem Betrachter saftige Weiden mit schwarz - weiß gefleckten Viehherden , mit Ackergäulen arbeitende Landwirte , denen ganze Scharen von Störchen folgen und weitläufig angelegte alte Bauernhöfe als Fotoobjekte an .

Neben der Marienburg ( dem größten Burgbau Europas ) und den hohen Dünen der Kurischen Nehrung gehören die Rollberge zu den am meisten bestaunten Sehenswürdigkeiten des deutschen Ostens .

Auf unserem Ausflugsprogramm standen natürlich auch die Stadt Danzig , die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Stutthof , der von der kaiserlichen Familie als Urlaubsort oft besuchte Badeort Kahlberg mit seinen weißen Stränden , das Gut Cadinen mit seinem Gestüt usw usw .

Fazit meiner Reise :
Ein faszinierendes Land , welches heute - 10 Jahre danach - zu Recht von immer mehr Touristen besucht wird . Wir waren begeistert von der unberührten Natur .
Für die Chronik habe ich zwar keine neuen Daten erhalten , aber die sonst nackten Tabellen haben jetzt ein Gesicht bekommen .
Ein Jahr später - also 1993 - habe ich meine Mutter und meinen ältesten Bruder überreden können , mit mir diese Gegend - unsere Heimat - noch einmal zu besuchen .
Für meine Mutter ein unbeschreibliches Erlebnis .

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