Heidenheimer Zeitung vom 19. Mai 2001
HEIDENHEIM (ram). Morgen, am 20. Mai, vor 90 Jahren wurde die Ortsgruppe der
Naturfreunde gegründet. Ort der Gründungsversammlung war der "Gesellschaftsgarten".
Anwesend waren 16 Mitglieder des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes, gleichzeitig
Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei:
Gottlob Wiedmann, Jakob Ott, Moritz Ackermann, Heinrich Junginger, Wilhelm Gress,
Michael Rink, Friedrich Rink, Karl Buck, Karl Illenberger, Richard Bassmann,
Adolf Bassmann, Clemens Vogt, Friedrich Fritz, Georg Wahl, August Corencic und
Karl Meck. Erster Obmann wurde Moritz Ackermann, zweiter Heinrich Junginger,
erster Kassierer Jakob Ott, zweiter August Corencic, Schriftführer Gottlob
Wiedmann. Beschlossen wurde, einmal im Monat eine Versammlung abzuhalten. Der
Beitrag für gewerkschaftlich Organisierte - das sollten damals alle Naturfreunde
sein - wurde auf 20 Pfennig pro Monat zuzüglich einer Reichsmark Aufnahmegebühr
festgelegt.
Die Naturfreunde hatten es auch in Heidenheim anfangs schwer. Bis 1920 war die
Ortsgruppe unmittelbar dem Zentralausschuss in Wien unterstellt. Bei den ersten
Wanderungen ging es mehr um Kilometer als um das Naturerlebnis. Manchmal startete
man schon um Mitternacht; schließlich war der Sonntag der einzige arbeitsfreie
Tag. Die Wanderer trugen im Sommer blaue Leinenkittel und im Winter graue oder
graugrüne Lodenjoppen und Hosen, Wadenstrümpfe, Wickelgamaschen, Wanderhüte
mit Federn und kräftige genagelte Schnürschuhe. Auch ein Rucksack,
in dem sogar Kochgeschirr verstaut wurde, gehörte zur Ausrüstung.
Frauen waren schon vom Anfang an mit dabei, auch wenn sie wie die Jugendlichen
erst 1919 dem Verein beitreten konnten.
Neben Wandern und Bergsteigen gewann bald das Gemeinschaftserlebnis zusehends
an Bedeutung. Es wurden Familienwanderungen mit Oma und Enkel organisiert, eine
starke Jugendgruppe gegründet und eine Sing- und Musikgruppe ins Leben
gerufen, die auch bei öffentlichen Veranstaltungen auftrat. Der Ausbruch
des Ersten Weltkrieges brachte 1914 dem Verein den ersten Rückschlag, denn
die meisten Mitglieder wurden einberufen.
Dank der freiwilligen Mithilfe ihrer Mitglieder konnten die Naturfreunde trotz
der Inflation nach zwei Jahren schwerer Bauarbeit zu Pfingsten 1925 auf dem
- sonst noch unbebauten - unteren Galgenberg ihr Vereinsheim Luginsland eröffnen.
Heidenheim besaß nun ein Unterkunftshaus mit 60 Betten für wandernde
Jugendliche und Erholungsuchende. Das Haus war sogar mit fließendem Wasser
und elektrischem Strom ausgestattet, was damals noch keineswegs selbstverständlich
war.
Kurz nach dem Krieg begann die Arbeit mit dem Sammeln von Versteinerungen und
Mineralien. Die nahen Steinbrüche, das Korallenriff von Nattheim und das
tertiäre Becken von Steinheim boten dazu günstige Gelegenheiten.
Viele dieser interessanten Fundstücke sind jetzt in Wandvitrinen im Naturfreundehaus
Hahnenschnabel ausgestellt. Heimatforscher und Mitglied Hermann Mohn entdeckte
1930 unterhalb von Schloss Hellenstein die älteste Siedlung aus Württembergs
Altsteinzeit, die "Heideschmiede".
Im Juni 1931 stießen einige Naturfreunde und Albvereins-Mitglieder beim
Vogelherd im Lonetal auf einen Fuchsbau, in dem sie einige kleine prähistorische
Steinwerkzeuge fanden - Anlass für umfangreiche Grabungen durch das Urgeschichtliche
Institut Tübingen.
Die in der Vogelherdhöhle gefundenen Elfenbeinplastiken, Knochen- und Steinwerkzeuge
sowie die zahlreichen Tierknochen erlangten Beachtung in der ganzen Welt. Außerdem
erforschten und vermaßen die Naturfreunde viele andere Höhlen auf
der Alb. Auch Keltenschanzen und Ringwälle samt römischen Resten waren
interessant.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges trafen sich am 14. März 1946 im "Bayerischen
Hof" 90 Naturfreunde zur Wiedergründung ihrer Ortsgruppe. Wilhelm
Gaus leitete provisorisch diese Monatsversammlung; er wurde gleich zum ersten
Vorsitzenden gewählt. Nach dem Krieg wurde das Haus Luginsland von Flüchtingen
und Vertriebenen bewohnt, die nicht ohne weiteres umquartiert werden konnten.
Außerdem hätte die schlechte Bausubstanz hohe Renovierungskosten
verursacht. Dann entschloss man sich nach langen Überlegungen, das alte
Haus an die Stadt zu verkaufen und auf dem Hahnenschnabel das heutige Vereinsheim
zu bauen.
Trotz Hungers und Not begannen die Naturfreunde im Dezember '46 mit dem Einschlag
des benötigten Bauholzes. Im Sommer darauf mussten im Steinbruch die Natursteine
für den Bau behauen werden, ehe am 30. August '47 nach langem zähen
Ringen um die Genehmigung mit dem Bau begonnen werden konnte. Im steinigen Boden
musste nicht nur die Baugrube, sondern auch ein fast 400 Meter langer Graben
für Wasserleitung und Stromversorgung ausgehoben werden. Vom Donau- und
Brenztal bis hinunter ins Kochertal stellten sich freiwillige Helfer zur Verfügung,
oft nur mit einer Schnitte trockenen Brotes in der Tasche. Nach 32 000 unentgeltlichen
Arbeitsstunden konnte das Haus zu Pfingsten '50 eingeweiht werden.
In den folgenden Jahren wurde das Haus mehrmals umgebaut und modernisiert. Letztes
Jahr wurden von freiwilligen Helfern die Flure und Gästezimmer renoviert,
und zu Pfingsten feierte der Verein das 50-jährige Bestehen dieses Wanderstützpunktes.
Das im Jahre 1925 eröffnete Naturfreundehaus "Luginsland" stand
damals als einziges Gebäude auf dem unteren Galgenberg in Heidenheim.
(Foto: Naturfreunde-Archiv)
Heidenheimer Zeitung vom 19. Mai 2001
Wir danken der HZ, dass wir aus diesem Artikel zitieren dürfen.