So,
wie er sich heute darbietet, sah er nicht immer aus, der Ostplatz. Er vermittelt
Enge, "popelige Phantasielosigkeit", nicht zugänglich für
jedermann/frau.
Einst war auf dem Platz ein Brunnen - mitten auf dem Platz - sonst nichts.
Der Brunnen war achteckig, ein Oktagon also. Auf der östlichen Seite führten
drei flache Stufen zum Brunnenbecken, westlich nur zwei, weil sich der Ostplatz
leicht schräg nach Osten neigt. Die Stufen waren von der Form her dem Brunnen
angepasst. Nördlich, östlich und südlich des Platzes standen
schon damals Arbeiterwohnungen. Westlich bildete die Ostschule die Abgrenzung.
Das Becken war nicht sehr hoch, Kinder konnten daran spielen.
Das Bild - im Buch "Heidenheim, Bilder aus einer verlorenen Zeit" herausgegeben von Roland Riegger im Jahre 1975 - schaue ich nun schon eine ganze Weile an, der Brunnen strahlt durch seine Schlichtheit Ruhe und Leben aus. Schade, daß er verschwunden ist. Ich erinnere mich, daß frühere Ostschüler mit Begeisterung ihre Geschichten erzählt haben, und immer war der Brunnen der Mittelpunkt des Geschehens.
Eine möchte ich zum Besten geben:
Am Morgen eines Schultages traf man sich wie immer am Brunnen. Es kam zu einer
Meinungsverschiedenheit, die war letzendlich so heftig, daß einer der
Kontrahenten in den Brunnen fiel. Er kam patschnass in der Schule an. Als der
Lehrer ihn erblickte schickte er ihn mit den Worten nach Hause: "Net, daß
d' no a Longaentzindung kriagscht Büeble."
Nun sollte eines Tages eine Klassenarbeit geschrieben werden. Der "Brunnentaucher"
hatte ein denkbar schlechtes Gewissen, weil er nicht gelernt hatte. Kurzerhand
sprang er in den Brunnen, der Lehrer aber hat ihn durchschaut und ihm die Suppe
arg versalzen: "Wennd' dei Arbet fertig hosch, kosch't hoim" !
Elvira Muschler
Fotos: Ingeborg Buchstor 2003
Bild aus: "Heidenheim, Bilder aus einer verlorenen Zeit"
herausgegeben von Roland Riegger, 1975