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Philosophie - Kreis

"Erbsünde" ? – Protokoll einer philosophischen Plauderei

erdacht von Günter Teichgraeber. In der Eile konnten die Gesprächsbeiträge den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht genau zugeordnet werden.

- Denken Sie, gestern habe ich in einem Schaufenster, in dem Teppichböden ausgestellt waren, den Werbeslogan gelesen: "Die beste Rippe seit Eva"!

- Dazu ist die Bibel wenigstens noch gut, für Witz und Reklame.

- Sie meinen, es ist ihr sonst nichts mehr abzugewinnen, der alten Bildgeschichte: "Gott baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm" - ? (1.Mose 2,22)

- Das ist doch bloß zum Lachen! Statt dass die Herren der Schöpfung zugeben, dass sie einmal aus dem Schoß einer Frau hervorgegangen sind, behaupten sie glatt im Gegenteil, der göttliche Chirurg hätte die Frau gewissermaßen in Vollnarkose per Kaiserschnitt aus dem Mann heraus operiert.

- Allerdings ist hier vom Menschen die Rede, Adam. Man kann das Wort mit Erdling übersetzen, weil Adama hebräisch die Erde ist. Manche sagen, der Erdling sei mannweiblich, hermaphroditisch gemeint. Gott hätte ihn dann nur auseinander genommen, ähnlich wie es bei den alten Griechen eine Sage gab, Zeus hätte den zweigeschlechtlichen Urmenschen entzwei gespalten.

- Um seinen Übermut zu strafen! In der Bibel will Gott seiner Einsamkeit abhelfen! "Es ist nicht gut, dass er allein ist. Ich will ihm eine Gehilfin schaffen, die um ihn sei." Mithin ist die Soloexistenz männlichen Geschlechts.

- So hatte es Luther übersetzt. Aber in jeder neueren Ausgabe wird dazu angemerkt: "Wörtlich: ich will ihm eine Hilfe schaffen als sein Gegenüber (d. h. die zu ihm paßt)." Ähnlich heißt es in der Einheitsübersetzung. Die "Hilfe" ist keine Einbahnstraße zum Mann, sondern offen in beiden Richtungen.

- Mindestens hat der Mensch, als er aus der Narkose erwacht, von diesen mühsamen philologischen Hilfestellungen noch nichts mitbekommen. Er sagt schließlich, Vers 23: "Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist." Ischa, die Frau, ist im Hebräischen Isch, der Mann, mit weiblicher Endung.

- Das zeigt natürlich nur, dass von Vollnarkose dringend abzuraten ist. Immer nehmen etliche Gehirnzellen Schaden, und der Patient ist desorientierter, um nicht zu sagen dümmer, wenn er aufwacht.

- Ich bitte doch, die ehrwürdigen Bibeltexte etwas ernster zu nehmen.

- Genau das möchte ich tun, wenn ich behaupte, dass gerade am Schluss der Paradiesgeschichte die Stellung der Frau nicht zweitrangig oder minderwertig beschrieben wird. "Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen..." (2,24) Das ist eindeutig eine matrilokale Ehe, genau anders herum als in einer patriarchalen Gesellschaft, etwa in Korea, wo herkömmlich einer jung verheirateten Frau das Betreten ihres Elternhauses auf längere Zeit verboten ist.

- Ernst beiseite! Dürfen wir diese alten mythischen Bildergeschichten nicht etwa auch heiter beleuchten? Das geschah vor etwa hundert Jahren in einem Berliner Kränzchen gebildeter Damen, vor denen ein berühmter Professor über die Stellung der Frau referierte unter dem Motto: Eine Frau lerne in der Stille... denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva" (1.Timotheus 2,11-13) Er war nicht darauf gefasst, dass ein Kollege anwesend war, der den Spieß herumdrehte: "Heute melden sich die Frauen vernehmlich zu Wort. Da müssen Sie, werter Herr Kollega, die Geschichte etwas anders beleuchten. Dass Gott den Mann erschuf, war sein Gesellenstück, danach die Frau – das Meisterstück!" Der Beifall der Damen war auf seiner Seite.

- Männliche Körperbehaarung als tierische Reminiszenz belegt dasselbe naturwissenschaftlich!

- Also doch "die beste Rippe - Eva" – nämlich Adams bessere Hälfte!?

- Nennt frau das heute "Feministische Theologie"?

- Nein, man nennt das einfach galante Exegese. Sie haben vorhin den Vers 24 nicht zu Ende gelesen: "und sie werden sein ein Fleisch!" Passiert das beim Geschlechtsverkehr?

- Der Apostel Paulus war tatsächlich der Meinung, er wendet diesen Satz auf den Bordellbesuch eines Mannes in Korinth an (1.Kor. 6,16)!

- Barbarisch ist eine solche Auffassung für den jüdischen Theologen Schalom Ben-Chorin. Schlimmer als ein flüchtiger Sexualkontakt kommt ihm eine solch ebenso oberflächliche Schriftauslegung vor, die Paulus sich hier zuschulden kommen lässt. Das Eins werden von Mann und Frau ist ernsthaft zu verstehen nur als ein wechselseitiges Sich einleiben, ein Prozess, der ein halbes Leben dauert und mehr, und der, womöglich, die gemeinsame Verantwortung für Kinder einschließt.

- Das erinnert an Hegel, der überzeugt war, Mann und Frau werden nur in ihrem Kind "ein Fleisch".

- Das kann aber doch auch nicht die ganze Wahrheit sein. Werden sie vielleicht eins, wenn das Kind nur bei dem einen Teil bleibt, von ihm allein groß gezogen wird?

- Da ist natürlich ein Unterschied, ob ein Schicksal die beiden getrennt oder ob eins das andere schmählich im Stich gelassen hat.

- Da tritt manchmal ein "Stiefvater" oder eine "Stiefmutter" an die Stelle des ausgefallenen Elternteils. Nicht juristisch, aber moralisch und seelisch, möchte ich sagen, hat jedes Kind ein Recht sowohl auf mütterliche wie väterliche Obhut und Förderung.

- Vielleicht sollten wir überhaupt diese Bibelgeschichte weiterlesen mit den Augen und aus der Perspektive des Kindes oder der Kinder?! Also weiter Vers 25: "Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht."

- Was wollen Sie sagen? Dass Papa und Mama sich im Bett ihren Kindern nackt zeigen sollen?

- Natürlich nicht, weil damit das zweisame Paar gemeint ist. Der Mensch ist "natürlich" nicht der nackte, sondern der kultivierte, schamhaft bekleidete Affe. Nur eine Gotteskraft wie die Liebe, die stark ist wie der Tod, überwindet auch Scham. Die beiden sind gemeinsam umkleidet und eingehüllt vom göttlichen Segen und Wohlwollen, wie von einem Gesang. Darin müssen sie sich voreinander nicht schämen und sind für fremde neugierige Augen unsichtbar. Als ich von der Perspektive des Kindes sprach, habe ich nur daran gedacht, was einem zum Fortgang der Geschichte in Kapitel 3 unweigerlich einfällt. Als Kleinkinder sind wir einmal ungeniert nackt am Badestrand herum gesprungen. Irgendwann war das vorbei.

- Am dänischen FKK-Strand lief auch der deutsche Kurpastor im Adamskostüm herum, der sonntags im Talar auf der Kanzel stand.

- Hat er dann wenigstens über das Feigenblatt gepredigt?

- Nein, aber ich habe schon befürchtet, er würde bei einer Kindertaufe sagen, dass der Sühnetod Christi den Makel der Erbsünde von uns abgewaschen hat und wir deswegen unverhüllt durch die Nordseewellen schreiten dürfen. Hat er aber nicht gesagt.

- Man hätte ihn auch bloß ausgelacht: Für uns FKK-ler hat Jesus nicht sterben müssen.

- Scherz beiseite! Kann mir jemand erklären, was die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen bedeutet? Oder: was bedeutet die Schlange?

- Da geben uns manche Psychoanalytiker Auskunft. Die Schlange hat natürlich phallischen Charakter. Ihr verdankt das Menschenpaar schließlich seine Gottähnlichkeit: zeugend und empfangend setzen sie Menschen in die Welt. Und die schöne, verlockend liebliche Frucht in greifbarer Nähe des Baumes ist natürlich symbolisch verschlüsselt die weibliche Brust, "angenehm und nützlich zugleich", nach Goethe.

- Warum sollte die aber ihrem Partner verboten sein? Die Psychoanalyse will doch gerade mit der Prüderie aufräumen?

- Sie weiß auch da weiter, weil sie konsequent die Perspektive des Kindes einnimmt. Von einem bestimmten Zeitpunkt an, wenn der Säugling entwöhnt werden muss, ist das begehrte Objekt tatsächlich tabu. Wenn er "bissig" wird, würde er die ursprüngliche Grundlage seines Lebens zerstören! Davor will ihn das Gebot Gottes bewahren.

- Hinter dem Gott steckt wohl dann der Papa, der mit der Mama weiter so intim bleiben darf wie sein Junior leider nicht mehr. Wie vertrieben aus dem Paradies kommt er sich da vor, erst recht wenn ein kleines Geschwisterchen bald seinen früheren Platz einnimmt.

- Diese ganze psychoanalytische Konstruktion hat aber doch den Haken, dass die beiden Hauptdarsteller des sogenannten Sündenfall-Dramas gleich alt sind und hier nicht die Mama mit ihrem Sprössling auftritt.

- Ja, aber jeder Mann, der seiner Geliebten begegnet, erinnert sich, eher unbewusst als bewusst, an seine früheste Partnerin, seine Mutter. Man könnte sagen, in ihm wird die Urbeziehung wiederbelebt, die zwischen Mutter und Kind. Dagegen wird die Frau, die ihren Partner findet, nicht von außen auf die Urbeziehung zurückgeworfen. Diese schlichte Tatsache benützt die Tiefenpsychologie auch zur Deutung der Sache mit der Rippe: Mann er-innert sich an Frau.

- Aha! Der Erdling, der von der Narkose noch stark benebelt erwacht und seine Partnerin vor sich hat, erkennt sie nur durch den Schleier eines ödipalen Tagtraums. Wäre wohl das bereits der Anfang seines "Sündenfalls"?

- Ödipale Mutterbindung hindert manchen erwachsenen Mann am Gelingen der Ehe. Er bringt es nicht fertig, wirklich "Vater und Mutter zu verlassen".

- Da soll nun bloß der Mann schuld sein am Scheitern der Beziehung. Wer spricht eigentlich vom Schuldanteil der Frau?

- Die sogenannte Sündenfallgeschichte der Bibel scheint es doch zu tun, und oft blieb uns von ihr nur dies hängen, dass durch Eva die Sünde in die Welt gekommen ist (1. Timotheus 2,14).

- Und was ist meist hängen geblieben über die Frage, worin die Sünde oder Ursünde des Menschen eigentlich besteht?

- Sünde ist in der Bibel Ungehorsam, oder nicht? "Durch Ungehorsam des einen Menschen sind die vielen zu Sündern geworden", sagt Paulus (Römer 5,19) Sünde ist also Auflehnung, Rebellion, Trotz und Übermut.

- Das alles sind eher männliche als weibliche Fehler, und vom Trotz des Menschen gegen Gott spüren wir auch erst etwas in der Geschichte vom Brudermörder Kain, der frech fragt: "Soll ich meines Bruders Hüter sein?" Erst in seiner Geschichte kommt auch das Wort Sünde vor: "Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür..." Und auch erst bei ihm das Wort fallen, als er seinen Blick fallen lässt, oder die Sache, als Abel unter seiner Hand fällt. Von beidem ist in der falsch sogenannten Sündenfall- Geschichte nicht die Rede.

- Und worin besteht hier die Schuld des Menschen?

- Darin, wie Eugen Drewermann gründlich dargestellt hat, dass bei ihm die Angst an die Stelle des Vertrauens tritt. Nicht erst als er sich vor Gott fürchtet und versteckt. Die Schlange symbolisiert von Anfang an die Stimme der Angst: "Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?" (3,1) Diese Stimme sät Angst in den Menschen vor einem Gott, der ihm nichts gönnt. Womöglich überhaupt nichts zu essen! Der Mensch wehrt sich durchaus gegen die missgünstige Gottesfratze: natürlich dürfen wir essen, nur von dem einen Baum in der Mitte nicht, weil die Mitte Gottes ist, nicht mal dran rühren!

- Vom Berühren war ja vorher gar nichts gesagt!

- Eben: es ist Angst, etwas Falsches zu tun, die das Gebot, das vor Schaden bewahren will, zum unverständlichen Berührungstabu übertreibt und sich selbst zwanghaft die Hände bindet. Daraufhin zeichnet die fremde, unheimliche Stimme sofort das Bild eines tyrannischen Gottes, der die Menschen blind und unmündig halten will, noch einmal scharf nach (Vers 5): "Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." Zweimal das Wort wissen oder erkennen. Gott weiß, aber seinen Menschen hat er verboten zu wissen. Die Schlange dagegen hat das unsterbliche Verdienst, das dem Menschen von Gott vorenthaltene Wissen zugänglich zu machen und ihn zu emanzipieren.

- Das wird doch am Schluss offiziell von Gott bestätigt: "Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist...." (3,22)

- Die tiefe Ironie darin wurde immer übersehen, zum Beispiel von Friedrich Schiller, als er den Biss in den Apfel der Erkenntnis des Guten und Bösen als die glücklichste Begebenheit der Menschengeschichte bezeichnet hat. Die Schlange – das Wahrzeichen der Aufklärung!

- Auch der sexuellen Aufklärung dann wohl, denn das Wort erkennen kommt gleich ein Kapitel danach in diesem Sinn vor: "Adam erkannte sein Weib, und sie ward schwanger..." (4,1) Freud lässt wieder grüßen.

- Aber die Meinung des Verfassers der Geschichte wird damit gerade verfehlt. Denn es ist die Schlange, die Stimme von Angst-statt-Vertrauen, die so gesprochen und versprochen hat, und nicht die Stimme der Wahrheit oder der Wille Gottes. Im Garten Gottes dürfen und sollen Mann und Frau einander in Liebe erkennen, eins werden im Kind, die Mühe und Verantwortung der Kindererziehung tragen, den Acker verantwortlich "bebauen und bewahren", bis sie das Zeitliche segnen. Meiner Ansicht nach sind die Menschen auch von Anfang an zum Philosophieren beauftragt. Philosophieren heißt, die Verantwortung für die Wahl der Worte sorgfältig wahrnehmen. "Gott .... brachte die Tiere zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen." (2,19) Gott ist selbst gespannt darauf, was die Menschen beim Philosophieren heraus bekommen.

- Das alles aber überbietet er anschließend in sokratischer Hebammenkunst, wenn er ihnen, Frauen und Männern, das Ziel ihrer Sehnsucht zeigt wie Michelangelos Schöpfergott in seinem Gewandbausch.

Michelangelos Schöpfergott- Das Ziel der Philo-sophie ist jedenfalls Sophia, die Weisheit. In Sprüche Salomos 8,30 ist sie personifiziert als Gottes Liebling und Gespielin von Anfang der Welt an.

- Könnte es nicht auch sein, dass Michelangelo sie und nicht Eva meint, weil er sie umgibt mit einer Vielzahl von Gotteskräften?

- Es ist erlaubt, zu vermuten. Legen wir’s nicht aus, so legen wir’s hinein. Die ganze Wahrheit jedenfalls behält Gott in seiner einen Hand. Wir dürfen uns wie Lessing mit seiner anderen Hand, dem immer währenden Streben nach ihr, mit der Philosophie bescheiden. Da sind alle Philosophen und Philosophinnen untereinander Freunde und Freundinnen. Um wieviel mehr ist jedoch die Wahrheit die Freundin von allen!

- Das gilt auch im Blick auf Freund Augustinus, der annahm, dass die geschlechtliche Liebe im Paradies nicht von Lustempfindung begleitet war. Doch der Liebende im Hohenlied Salomos nennt seine Geliebte lustvoll einen "Paradiesgarten" (4,12f). Das Paradies ist nach Eugen Drewermann überhaupt nicht irgendein Urzustand, sondern eine Art und Weise, die Dinge und Menschen gegenwärtig anzusehen, nämlich mit Augen des Vertrauens und der Liebe. Also ist es abwegig, zu meinen, die Menschen hätten "im Paradies" nicht Gutes zu tun und Schlechtes zu lassen gehabt. Oder sie hätten nichts zu arbeiten, zu lernen, die mathematischen Zeichen im Buch der Natur nicht zu entziffern. Wie gesagt, sogar gestorben wird "im Paradies", folgerichtig, wenn Kinder gezeugt und geboren werden. Aber ohne die Angst, welche Verzweiflung, Härte und Trägheit des Herzens gerade auch in der patriarchalen Unterordnung der Frau (3,16) verschuldet.

- Gibt es also auch Fehler, Schuld und Versagen "im Paradies"?

- Ja, aber es ist damit wie bei dem Kind, das nicht aus Angst seinen Fehler vertuscht und leugnet, sondern so viel Vertrauen aufbringt, dass es dazu stehen kann. Das also auch nicht seinen Schuldanteil von sich wegschiebt, wie der Verfasser scharfsichtig beobachtet, dass es typisch ist für den schuldig gewordenen Menschen, der sagt: der Mitmensch hat es mir eingebrockt. Oder gar du, Gott, weil ich ihn von dir habe (3,12). Weil ich mich bloßgestellt fühle, stelle ich den anderen bloß.

- Haben wir jetzt nicht vergessen, die Geschichte mehr aus der Perspektive der Kinder anzusehen?

- Nein, wir haben soeben das Menschenkind von dem Aberglauben freigesprochen, dass es die "Erbsünde" mitbekommt auf dem Weg der sexuellen Fortpflanzung.

- Aber anscheinend gibt es doch zum Beispiel auch genetisch verankerten Alkoholismus!

- Doch wohl nur als Disposition, als Gefahr! Im wesentlichen tritt ein Menschenkind die Sünde an in Gestalt der von Angst und Lieblosigkeit vergifteten Atmosphären, die es womöglich schon mit dem ersten Schrei einatmen muss, denen es wehrlos ausgeliefert ist, wenn es heranwächst.

- Atmosphären im Sinn der philosophischen Wortwahl von Hermann Schmitz!

- Ja, solche Atmosphären können schwer und schwül sein von Misstrauen, aufgeladen von Hass, es sind Gefühlsräume zwischen den Menschen, wo eins die Schuld auf den anderen schiebt. Es ist das seelisch eisige Klima "jenseits von Eden", wo einer den anderen als Rivalen ansieht wie Kain den Abel, und weil er dessen Rivalität als tödlich empfindet, tötet er ihn.

- Angeerbte Geschwisterrivalität gibt es doch auch unter Tierjungen!

- So viel ich weiß aber nicht unter Primaten, deswegen kann Kain es nicht auf tierische Vorfahren schieben.

- Unter Homo sapiens sapiens ist leider immer noch ein seelisches Klima verbreitet, das beladen ist von angstgeborenem pauschalem Hass gegen das Animalische und die feindliche Wildnis. Dabei hätten doch um der Zukunft der Erde und ihres natürlichen Klimas willen sogar Schlangen samt Konsorten verdient, dass wir sorgfältig Art von Art unterscheiden und ihre Lebensräume, Urwälder, Savannen und Steppen, bewahren.

- Und dieses schwer lastende Erbe, dem Menschenkinder und andere Kreaturen ausgesetzt sind, vergiftete und vergiftende Atmosphären, könnten wir Erb-sünde nennen?

- Erbsünde, nicht unter den Teppich gekehrt, doch aus einem imaginären "Aberhimmel" auf den Teppichboden der gut gerippten, aber - mit durch unsere Schuld - leider arg zertretenen Wirklichkeit herunter geholt!

Günter Teichgraeber

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Webseite: Oskar Söhnle; 14.02.2003