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Die Krone auf Hurwang


Nur noch ein paar dürftige Mauerreste stehen von der alten Burg, die einst die Stätte frohen Lebens war. Wer weiß, auf welche Weise sie einst zerstört wurde ? Mit ehrfurchtsvoller Scheu betreten wir die Stätte, wo einst trutzige Mauern und mächtige Türme von der Vorväter Kraft und Stärke zeugten. Geheimnisvoll rauschen die Baumwipfel über dem Wanderer, der sich in heller Mondnacht und beim Funkeln der Sterne der Trümmerstätte naht. Im matten Silberlicht ziehen an seinen Augen geharnischte Rittergestalten vorüber, im Zwinger glaubt er die Prachtgewänder der Ritterfrauen rauschen zu hören, und hie und da meint er ein Glitzern und Funkeln wahrzunehmen wie von lichtem Gold und gleißendem Edelstein Aus den Zweigen der Bäume und aus dem Mauerwerk aber lispelt und wispert es geheimnisvoll: „Hier, unter diesen Mauern, in verschlossenen Gewölben, keinem sichtbar, liegt ein Schatz aus alter Zeit. Willst du ihn holen ? Der Kronen schönste wartet dein ! Greif zu, greif nach der goldenen Krone von Hurwang !"
Schon mancher schwärmerische Mensch folgte dieser geheimnisvollen nächtlichen Stimme. In mitternächtlicher Stunde schlich er hinaus durch den Wald nach der geheimnisvollen Stätte Dumpfe Zauberformeln ertönten schon manchesmal dort; Geister der Tiefe wurden zu Hilfe gerufen, damit man den Schatz mit der Krone heben könne. War die Beschwörung zu Ende, so schlug klirren die Hacke an das Gestein und fuhr der Spaten ins Erdreich. Wie oft schon ? Und bisher immer vergebens; denn noch ist es keinem gelungen, das Kleinod zu heben. Viele Löcher wurden in die Tiefe gegraben, bis zu zwei Metern, seit vielen Jahrhunderten, bis in unsere Tage Immer wieder fanden sich Leute, die felsenfest an den Schatz glaubten
Meist waren es Männer, die durch ihren Beruf gezwungen waren, sich viel in freier Natur aufzuhalten Aus dem Raunen der Blätter erlauschten sie die wunderhafte Sage von dem Schatz und machten sich ans Werk, ihn zu heben. Wir wollen hören von solchen, die in den letzten Jahrzehnten das Werk unternahmen, allerdings mit keinem Glück.
In unserer Umgebung lebte um die Jahrhundertwende ein Mann, der durch seine Tätigkeit als Sammler von Versteinerungen die Aufmerksamkeit eines damaligen Gelehrten auf sich zog. In enger Zusammenarbeit mit diesem vervollkommnete er sich so, daß er wirklich Gutes auf diesem Gebiete leistete. Kein Grab aus alten Zeiten, kein Überrest längst vergangener Tage blieb ihm verborgen. Eines Tages hörte er von der goldenen Krone sagen, die in den Trümmern Hurwangs der Hebung harre. Eilends machte er sich auf die Suche In den Jahren 1898 - 1900 zog er oft zur mitternächtigen Stunde mit einem Mitarbeiter nach Hurwang hinaus, rief die Geister zu Hilfe und grub und grub Als ihm aber nach Jahren der Erfolg nicht günstig war, suchte er sein Glück in der Fremde und fand ein trauriges Ende.
Kaum war er fort, so nahm sich schon ein anderer der Sache an. Es war ein kräftiger, junger Mann, der 1901 -1903 die Mitternachtsstunden benützte, um die goldene Krone zu heben Kein Mensch konnte ihn von der Überzeugung abbringen, daß dieser Schatz wirklich vorhanden sei. Er war ein überaus scharfer Beobachter der Natur, und nicht der geringste Gegenstand entging bei seinen Ausgrabungen seinem scharfen Auge. Den Schatz zu heben, gelang aber auch ihm nicht.
Die Geschichte von der goldenen Krone war inzwischen weit herum bekannt geworden. Im Jahre 1904 tauchte plötzlich ein schwächlicher Mann in den 30er Jahren auf. Er kam von auswärts und hoffte, daß das Glück ihm günstiger san werde. Mitternacht um Mitternacht arbeitete er auf Hurwang. Im nahen Mergelstetten ließ er sich tagsüber nicht erblicken. Wo er sich herumtrieb, wusste niemand. Einige Tage lang arbeiteten Hacke und Schaufel, dann wurde es wieder still auf Hurwang. Die Enttäuschung mag auch diesen Schatzgräber vertrieben haben.
So ruht also die goldene Krone von Hurwang immer noch in festverschlossenem Gewölbe. Der Glaube, daß sie wirklich vorhanden sei, ist bis zum heutigen Tage in vielen Köpfen wach geblieben. Wer weiß, vielleicht versucht noch mancher vergeblich sein Glück in den Trümmern von Hurwang. Bis zum Beginn des Weltkriegs lassen sich auf Hurwang die Arbeiten der Schatzgräber verfolgen Aber alle gaben die Arbeit wieder auf, ohne das vielbegehrte Kleinod gesehen oder gar gefunden zu haben. In neuerer Zeit sind durch besondere Gesetze die Arbeiten solcher Nachtbrüder erschwert Aber wer weiß ? Wer weiß ?

(Aus dem Buch: Land und Leute um den Hellenstein - Heidenheimer Heimatbuch: Druck und Verlag C. F. Rees in Heidenheim an der Brenz - 1938 )

Klaus-Peter Höppner, März 2006

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Webseite: O.S. im März 2006